Ihr erster Gedanke (Ihr erschter Gedanke)

aus: E klän Präsent

(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)

 

Die Wittfrau Schmitt steht auf der Schwelle

vor ihrem kleinen Haus,

sie denkt an ihren einzigen Sohn,

der lange im Feld schon draußen.

 

Sie macht sich doppelte Sorge um ihn,

weil er so schwach, so zart,

und weil er, schon als kleiner Bube,

von so einer stillen Art.

 

Kommt ein Soldat die Gasse herauf,

so breit, so stolz, so rund,

hat Urlauf auf eine kurze Zeit,

ist lustig und gesund.

 

Das alte Frauchen denkt: wer ist jetzt das ?

Ich kenne sie alle, oh mei,

der stammt ja nicht aus unserem Ort,

das muss ein Fremder sein.

 

Jetzt macht er halt vor ihrer Tür

und präsentiert das Gewehr:

ei Mutterchen, liebes Mutterchen,

sage, kennst du mich denn nicht mehr ?

 

Die Wittfrau Schmitt hat wie ein Kind

gelacht und auch geflennt:

mein lieber Bube, oh wenn dich doch

dein Vater sehen könnte.

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise: