(zu unterst) - (zu) oberst

aus: Pälzer Humor

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

An dem ganzen Schlamassel war eigentlich nichts und niemand daran schuld als das gute, süffige 1911er pfälzer Weinchen, von dem der Herr Adjunkt Müller – sonst der solideste und nüchternste Mensch und Bürger von der Welt – drei Flaschen nacheinander getrunken hat.

 

Wie er nämlich am anderen Morgen die Augen aufgemacht und so ein bisschen herumgeguckt hat, da war es ihm so überzwerch zumute, dass er sie geschwind wieder zugemacht hat, und von dieser ganzen schönen Welt nichts hat hören und sehen wollen.

 

Ach du liebe Zeit, ach du liebe Zeit, wo bin ich denn – ich liege ja in einem ganz fremden Bett – in einer ganz fremden Stube! – Wie bin ich denn da her gekommen? – Was werde ich alles noch erleben? hat er gedacht und ist vor lauter Ängsten und Verzweiflung unter das Deckbett geschlüpft.

 

Gleich darauf wird der Deckbettzipfel vorsichtig so ein bisschen in die Höhe gezogen, und dem Herrn Adjunkt sein guter Freund – der Jakob – steht da. Adam, Adam, ei Donnerkeil noch einmal, dich sollen ja neunundneunzig Kröten petzen, hat er gekrischen. Wo bleibst du denn? Stehe auf, schlüpfe in deine Hose, ich will dir ein bisschen helfen. Du sollst ja um zehn beim Bürgermeister sein – und jetzt ist es schon halb-elf.

 

Jakob, dich schickt unser Herrgott, stöhnt der Herr Adjunkt, will sich ein bisschen aufrichten, purzelt aber vor lauter Elend wieder in die Kopfkissen zurück, und fängt an zu weinen und zu weinen, wie noch einmal ein kleines Kind, so dass ihm die hellen, dicken, runden Tränen-Tröpf(el)chen über die Backen gelaufen sind.

 

Jakob, ich bitte dich um alles in der Welt, bleibe bei mir, hilf mir besinnen, mein Hirnkasten ist gerade wie ausgebrannt, ich weiß von nichts mehr. … Du, Jakob, sage einmal, aber nicht so laut, habe ich eigentlich eine Haushälterin oder habe ich keine? Gell, ich habe eine – so eine kleine, schwarze, runde? – es dämmert mir wenigstens so etwas. Und ist das da meine Stube, oder ist es eine andere Stube?

 

Gucke, Jakob, das Bild da an der Wand, das kommt mir so bekannt vor, und der Tisch auch, den habe ich schon öfters gesehen, selbiges weiß ich für gewiss. An die Bettlade kann ich mich nicht erinnern, die macht mich ganz irre – meine hat doch nicht so ein hohes Fußende gehabt. Und wenn das jetzt doch meine Stube wäre – wo ist denn nachher mein Kleiderschrank und mein Kanapee?

 

Da sind am Ende heute Nacht Einbrecher da gewesen und haben mich überfallen, weil mir es so wüst im Kopf ist, und haben meine Sachen gestohlen. Anders kann es gar nicht sein. Du musst auf die Polizei, Jakob, und musst es anzeigen, dass die Spitzbuben erwischt werden. Aber zuerst hole mir den Doktor. Oh Jesses, Jesses, wie ist mir es, wie wird mir es – ich glaube, ich muss – s-s-s-sterben – muss ich.

 

Alter Schote, lacht der Jakob, so geschwind stirbt man nicht. Du hast dir halt gestern Abend so ein extra Bene-chen angetan, und das musst du jetzt büßen. Bist halt nichts Gutes gewöhnt. Und Diebe und Räuber bist du auch nicht in die Hände gefallen. Freilich hast du eine Haushälterin, und was für eine! Aber die klein schwarz ist es nicht mehr; besinne dich nur, die hast du ja erst die letzte Woche geschasst, weil sie so viel Duppes-Groschen gemacht hat.

 

Jetzt hast du so eine große blonde. Aber es ist besser, wir lassen sie noch draußen. Rutsche einmal ein bisschen in deinem Bett in die Höhe, Adam – hopp – so ist es recht, also, noch einmal, hopp – als noch ein bisschen höher. So gefällst du mir ! Und jetzt mache einmal die Augen auf und gucke um dich … weißt du jetzt, wo du bist ? Kennst du sie jetzt, deine Stube ? Siehst du ihn jetzt, deinen Kleiderschrank und das Kanapee ?

 

Jakob, lacht der Herr Adjunkt mit dem ganzen Gesicht und macht so allerhand verzweifelte Anstalten, seinem Freund ein Kuss zu applizieren (was ihm aber nicht geglückt ist), ich glaube wahrhaftig, ich bin unterst – oberst im Bett gelegen. Diesen Ritterdienst verges-se ich dir nicht, Jakob, und wenn ich hundert Jahre alt werde. Lasse mich nur erst einmal Bürgermeister sein, Jakob, - warte – wir reden noch miteinander.

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise:

folgt