Vorwort in "Hausapothek"

aus: Hausapothek - ohne Verfasser-Angabe

hochdeutsch

 

Vor ein paar Monaten erst haben sich die guten Augen unserer Lina Sommer zum letzten Schlaf geschlossen. Mitten in ihrer heißgeliebten Pfälzer Erde, auf dem stillen Friedhof in Jockgrim, ruht das müde Herz, das so freudig aus dem Vollen ihres gestaltungskräftigen Geistes spendete und sich bis zum letzten Atemzug verschwendete.

 

Wenn wir heute dieses Werk der Öffentlichkeit übergeben, so erinnern wir uns mit nachfühlender Freude und stiller Trauer zugleich der Sorge, mit der die nimmermüden Hände der Dichterin ihr jüngstes Kind umhegten. Wie viele Briefe flogen von hier zu dem Krankenbett in Karlsruhe und zurück, ja einmal kam die fast 70-jährige selbst, trotz aller Schmerzen und Mühen des Weges, um zu hören, wie es mit ihrer „Hausapothek“ stehe. Bis in die letzten Tage und Stunden dachte ihr Geist, den die Krankheit nicht unterkriegen konnte.

 

Freilich, es war nicht ganz leicht, aus den vielen bunten Sträußen, die sie ihren Landsleuten in einem langen Dichterleben gebunden hatte, die farbigsten Blumen herauszusuchen. Da war so viel Schönes dabei, dass die Auswahl zu einem Riesenbukett geworden wäre. Die Heckenrosen, die Levkoien, der Goldlack, die Nägelchen, der Rittersporn, Akelei, Türkenbund, Stiefmütterchen, Nelken und Maßlieb – alle wollten sie mitgenommen sein. Und mit Recht! Denn die früheren Büchelchen und Sammelwerkchen sind  längst vergriffen und nirgends mehr aufzutreiben.

 

Und wie oft schrieb die fleißige Hand auf dem Krankenbett uns mit ihren charakteristischen festen Schriftzügen: „Liebe Herren, bitte, dieses Gedicht muss doch hinein, verlassen Sie sich nur auf mich, ich weiß, was die Leute gerne lesen!“ Und so entstand dieses Büchlein, dessen Druck sie leider nicht mehr erlebt hat, aus Altem und Neuem wundersam gemischt, ein Blumenstrauß vom Feld und vom Bauerngärtchen, mit herben, strengen Gerüchen und leuchtenden Farben, keine bleichsüchtige moderne Lyrik mit Achs und Ohs, eine „Hausapothek“ für Gesunde und Kranke, ein Erinnerungsbuch für ihre Freunde in der Pfalz und in der weiten Welt.

 

Ob sie deren viele  hat? Der 70. Geburtstag, den wir hoffnungsvoll am 8. Juli 1932 feierten, hat es bewiesen. Die ganze pfälzische Familie feierte mit, aus den pfälzer Siedlungen im Osten und Südosten, aus Galizien, der südslawischen Batschka, aus Nord- und Südamerika kamen Grüße und Wünsche.

 

Noch eben jetzt, wo wir dem neuen Buch die Vorrede schreiben, flattert uns ein Sonntagsblatt der „Newyorker Staats-Zeitung“ auf den Tisch, in dem ein pfälzer Auswanderer der Dichterin zum letzten Geburtstag gedenkt. Und da finden wir einige sonst noch nicht bekannte Worte von Lina Sommer, die wir auch diesem Buch als Geleit mit auf den Weg geben möchten, weil sie so recht zu dem Wesen der Entschlafenen und zu dem Charakter ihres Buches passen. Sie schrieb einst einer befreundeten Dame:

 

„Ich möchte mir wünschen, dass jedermann,

der ein Buch von mir liest, sich daran freuen kann,

und dass er, wenn auch nur für kurze Zeit,

seine Sorgen vergisst und sein Herzeleid,

und dass er beim Lesen fühlt: die das schrieb,

die denkt auch an mich, und die hat mich lieb!“

 

Möge dieser Wunsch auch bei der „Pälzer Hausapothek“ in reichstem Maße in Erfüllung gehen.


 

Ludwigshafen, Weihnachten 1932.