Haushaltstalent

aus: Hausapothek (1933)

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten

 

Der Schorsch und die Malchen sind um halb zehn an die Bahn gegangen, für den Herrn Vetter und die Frau Base abzuholen, und es war ausgemacht, dass der Schorsch mit ihnen auf den Kirchhof geht, für die Gräber zu besuchen, und dass das Malchen auf halb eins das Mittagessen richtet. Wie aber, statt dem Herrn Vetter und der Frau Base allein, noch zwei Freundinnen vom Malchen aufgetaucht sind, da sagt der Schorsch: „Liebe, fahre du mit auf den Kirchhof, und ich besorge mit der Babette alles andere. So viel Hausfrauentalent habe ich auch noch, für die Babette zu instruieren, dass zu rechter Zeit das Mittagessen auf dem Tisch steht.“

 

Das Malchen hat zuerst nicht so recht gewollt, ist aber schließlich doch mit ihrem Besuch in die Elektrische eingestiegen.  Auf der zweiten Haltestelle nimmt sie sich zur Ausrede „sie hätte die Schlüssel zum Speiseschrank bei sich, – jetzt könnten die daheim ja nichts kochen – sie müsste heim“, – und ihr Besuch hat das auch eingesehen und fest versprochen, Punkt zwölf zum Essen zu kommen, für dass sie sich am Nachmittag noch etwas miteinander vornehmen könnten. 

 

Mein Malchen besorgt also flink die nötigen Kommissionen – und wer nicht da war, wie sie heim kommt, war der Schorsch. Sie verlegt sich also mit der Babette auf das Kochen und Backen, es wird halb elf – es wird halb zwölf, der Herr mit dem Hausfrauen- und Instruktionstalent lässt sich nicht blicken. Endlich, endlich kommt er die Treppe heraufgestürzt, – (das Malchen versteckt sich), schießt wie die Kugel aus der Flinte in die Küche und ruft: „Babette, was haben Sie denn gekocht?“

 

„Ich – ei nichts.“

 

„Was – Sie haben nichts gekocht, – das ist ja noch schöner. Hat Ihnen meine Frau nicht gesagt, dass zwei Personen zum Essen kommen, und jetzt kommen zum Überfluss auch noch vier.“

 

„Ja – die Madame hat gesagt, wie sie fort ist, sie käme gleich vom Bahnhof wieder heim, und täte mitbringen, was wir zum Kochen brauchen. Und weil sie nicht gekommen ist, habe ich mir halt gedacht, Sie essen gewiss auswärts.“

 

„Auswärts, – mit vier Personen, nein, das wäre mir doch zu teuer. Meine Frau ist mit dem Besuch auf den Kirchhof gefahren, in einer halben Stunde kommen sie und haben vielleicht Hunger wie die Wölfe. Also Babette, tummeln Sie sich, was gucken Sie mich so dumm an, – es ist keine Minute zu verlieren.“

 

„Hm, was soll ich denn machen?“

 

„Was Sie machen sollen, – ich täte auch noch fragen; eine Fleischsuppe natürlich zuerst.“

 

„Eine Fleischsuppe, – ja wo soll ich denn das Fleisch hernehmen?“

 

„Das ist Ihnen Ihre Sache – Sie werden als eine Perfekte doch eine Fleischsuppe ohne Fleisch kochen können.“

 

„Nein, das bringe ich doch nicht fertig.“

 

„Zum Kuckuck noch einmal, dann kochen Sie halt eine x-beliebige Suppe, – Erbsen, Bohnen, Linsen – es ist mir egal, wie Sie sie taufen. Und können Sie nicht geschwind noch Nudeln machen, das kann doch kein Kunststück sein.“

 

„Nein, das geht mit dem besten Willen von der Welt nicht, – die müssen doch zuerst trocknen.“

 

„Da hebt man sie halt an die Ofentür, ich helfe ein bisschen – allez hopp.“

 

„Und Eier habe ich auch keine daheim.“

 

„Was, Sie brauchen Eier zu den Nudeln, – Sie haben scheint es im Krieg keine Sparsamkeit gelernt. Alleweil geht mir ein Licht auf, warum die Haushaltung so viel Geld kostet. Man muss doch auch Nudeln machen können ohne Eier.“

 

„Herr Müller, auf den Ersten können Sie sich eine andere Köchin suchen.“

 

„Ruhig, Babette, so war es nicht gemeint, was Sie alleweil geschwätzt haben, habe ich nicht gehört, – verstanden? Ich habe zu meiner Frau so wie so schon gesagt, wir müssen das Babettchen ein bisschen aufbessern. Aber was machen wir statt der Nudeln, – jetzt reden Sie doch ein Wort.“

 

„Vielleicht Makkaroni?“

 

„Ja, die sind geschwind gemacht, die legt man einfach in Wasser, gibt eine Hand voll Salz daran, lässt sie aufkochen und dann schmälzt man sie ab mit Zwiebeln.“

 

„Nein, so schmälzt man die Kartoffelknöpfe, aber nicht die Makkaroni.“

 

„Sie müssen halt immer alles besser wissen, – wieviel soll ich denn holen – – langen fünf Pfund?“

 

„Es wird am Ende besser sein, Sie kaufen sieben.“

 

„Und was geben wir zu den Makkaroni, – machen Sie halt geschwind eine Platte voll Frikadellen.“

 

„Frikadellen – Frikadellen – ich habe doch kein Fleisch dazu, von was soll ich denn Frikadellen machen?“

 

„Selbiges kann ich doch nicht wissen – machen Sie sie halt von irgend etwas. Sie sind mir eine Schöne. Zu der Fleischsuppe brauchen Sie Fleisch – zu den Nudeln Eier – zu den Frikadellen wieder Fleisch, – ja wo soll denn das hinaus?“

 

„Herr Müller, was ich vorhin gesagt habe, halt ich aufrecht.“

 

„Ruhig, Babette, also Sie machen keine Frikadellen, ich bringe einen guten Aufschnitt mit.

 

Und was ist mit einem Dessert? Dampfnudeln wären nicht schlecht; wenn Sie doch nichts zu kochen haben als Suppe und Makkaroni, können Sie doch diese noch machen.“

 

„Da müsste ich ja gerade eine Hexenmeisterin sein.“

 

„In Drei-Teufels-Namen – da machen Sie halt Schneckennudeln.“

 

„Herr Müller, Herr Müller, Sie treiben es auf die Spitze.  Wollen Sie mich zum Narren halten, – das lasse ich mir doch nicht bieten.“

 

„Also gut, machen Sie keine Dampfnudeln und keine Schneckennudeln, – nur kalt Blut, ich bringe vom Konditor einen Apfelkuchen mit. Was habe ich zu besorgen: sieben Pfund Makkaroni, zwei Pfund Aufschnitt, einen Apfelkuchen – Jesses, da werden am Ende zehn Mark gar nicht langen.“

 

Der Herr mit dem Hausfrauen- und Instruktionstalent rennt zur Glastür hinaus, will die Treppe hinunter, da ruft es: „Schorsch, – – Schorschel, – da komme einmal her.“

 

„Malchen, Malchen, sagt er, – du bist daheim, Gott sei es getrommelt und gepfiffen.“

 

„Ja“, lacht das Malchen, „und was für ein Glück, dass ich da bin; da gucke hinunter, alleweil kommt schon unser Besuch, – sie winken mit ihrem Parapluie. Aber sage einmal, lieber, alter Hafengucker, hast du nichts gerochen, was in der Küche alles brutzelt und kocht?“

 

„Nein, vor lauter Schreck ist mir die ganze Riecherei vergangen.  Übrigens will ich dir sagen, wenn mich nicht der Fritz und der Karl unterwegs zum Frühschoppen gelotst hätten, – wenn ich um zehn heimgegangen wäre, – wie ich es vorgehabt habe – da hättest du dein blaues Wunder erleben sollen, was ich mit der Babette für ein Menu auf den Tisch gestellt hätte.“

 

„Ich glaube dir es, Männlein“, meint das Malchen, „nur mit den Makkaroni, da hast du dich geirrt.“

 

„Gelt, Liebe, es hat mir doch so etwas geahnt, dass sieben Pfund nicht langen“, meint der Schorsch, „ich hätte am Ende acht holen sollen.“

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise:

 

folgt