Die Poeten-Eier

aus: Das Lewe is kä Kinnerschbiel

(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)


(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch.)

 

Also hat Gott die Welt geliebt – vorgestern hat mich eine liebe Frau aus der Pfalz besucht, der wo ich schon in allerhand Sorgen und Herzensnot habe mit Rat und Aufmunterung beistehen können, und für mir ein Pläsier zu machen, hat sie mir sechs frische Eier mitgebracht. Hätte ich sie nicht genommen, dann hätte sich die gute Seele beleidigt gefühlt. Wie sie fort war, habe ich die Gackelchen aus den Fließpapierchen herausgewickelt, auf einen Teller gelegt und meine Augen daran geweidet.

 

Bautz – geht die Tür auf und eine andere Bekannte – so ein bisschen eine spitznäsige – steht da, ehe ich noch meinen Reichtum habe in meinem Schränkchen verschwinden lassen können. Aha, so fängt sie an, da kann man sehen, wer es noch hat. Ein halbes Dutzend frische Eier, und ich wäre froh, wenn ich nur eins hätte. Sie brauchen nichts zu sagen von den teuren Zeiten, wenn man es noch so machen kann, da geht es einem wahrhaftig noch nicht schlecht.

 

Einesteils habe ich mich ordentlich geschämt über meinen Besitz und habe mich entschuldigt: die Eier wären ja gar nicht gekauft, ich hätte sie geschenkt gekriegt.

 

So, sagt der Besuch, den oder die möchte ich sehen, wo heutzutage noch so Präsentchen machen kann.

 

Um meinen wüsten, missgünstige Gast loszukriegen, habe ich dann – unter heimlichem Lachen – angefangen zu erzählen. Ja, wissen Sie, das ist so: das sind sozusagen Poeten-Eier und sind extra für mich gelegt. Der Gockel auf dem Hühnerhof hat nämlich am Sonntag-Mittag seinen sechs Hühnern aus meinen Büchern ein paar lustige Gedichtlein vorgelesen – da haben sich die Hühner doch so gefreut, dass jedes aus lauter Pläsier und Dankbarkeit geschwind ein Ei für mich gelegt hat, und der Bauer hat sie mir vorhin gebracht. Gucken Sie her, da steht darauf geschrieben: für Lina Sommer.

 

Jetzt gehen Sie heim, schreiben Sie auch ein paar Gedichtlein und hängen Sie sie in den Hühnerstall. Wer weiß, vielleicht kommen Sie auf die Art auch zu sechs frischen Eiern.

 

Meine Absicht war erreicht. Die Madame hat den Schabernack gemerkt, hat sich empfohlen – und ich habe meine Ruhe gehabt und habe weiter schaffen können.

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise:

folgt.