Der Papa

aus: Pälzer Humor

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten

 

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

 

Gerade weil er „für ganz gewiss gewusst hat“, dass er – trotz seiner martialischen Gestalt – der schwächere Teil war, hat es der Papa als einmal für nötig und gut gefunden, von Zeit zu Zeit so ein bisschen aufzutreten und aufzutrumpfen, wie wenn er wahrhaftig der Herr im Haus wäre, und seine liebe, kleine Frau war gescheit und pfiffig genug, ihm diesen Glauben und die Pläsier zu lassen.

 

An einem Freitag Abend (die Näherin war schon vier Tage nacheinander im Haus) ist er wieder einmal mit so einem verkrumpelten Gesicht heimgekommen, dass ihm die Mama am liebsten die Falten aus der Stirne gebügelt hätte, und weil das halt nicht gut zu machen ist, hat sie ihm einen herzhaften Kuss gegeben.

 

Nichtsdestoweniger fängt er aber doch an zu knottern: „er wäre jetzt das fünfte Rad am Wagen, die Näherin wäre die Hauptperson im Haus, – und das täte ihm halt doch nicht so recht passen.“

 

„Ja, Lieberle“, sagt die Mama, „meinst du denn, das wäre vielleicht eine Pläsier für mich, die Fräulein Minchen acht Tage da sitzen zu haben. Ich ginge auch lieber in den Laden und täte die Kleider für mich und die Kinder fertig kaufen, aber weißt du, ich will halt sparen.“

 

„Sparen – soll das vielleicht heißen, dass ich dir nicht genug Haushaltsgeld gebe? Ei, zum Kuckuck noch einmal, habe ich dir nicht erst den letzten Monat fünfzig Mark zugelegt?“

 

„Zugelegt? – aber liebes Männel, du tust ja gerade, als ob ich zum Personal gehören täte und nicht deine Frau wäre; so etwas musst du nicht mehr sagen, gelt nicht?“

 

Der Papa hat sich gedacht: „So, jetzt habe ich wieder einmal mein Fett“, die Zurechtweisung hat ihn gekröpft, und wie die Käthchen die Suppe hereinbringt, schiebt er gleich nach dem ersten Löffel den Teller von sich und sagt: „Nein, so eine Brühe, das ist ja das reinste Spülwasser, ich danke für so eine Wassersuppe.“

 

„Aber Papa“, hat ihn die Mama beruhigt, „ich kann doch nicht jeden Abend Fleischsuppe auf den Tisch stellen, es gibt nachher noch gebratene Täubchen, halte dich an diese, ich habe sie gut gefüllt, die magst du ja so gerne.“

 

Die Täubchen hinten nach können mich nichts nützen, wenn ich vorher keine ordentliche Unterlage habe“, sagt der Papa, steht geräuschvoll vom Kanapee auf, nimmt seine Zeitung und geht an der Käthchen mit der Täubchen-Platte vorbei, hinüber in die gute Stube, wahrhaftig mit dem Hintergedanken, dass jetzt seine Frau kommen und sich entschuldigen müsste.

 

Da war er aber schief gewickelt. Der Mama hat es zwar arg leid getan, dass er sich so in die Wut verbohrt hat, aber hätte sie jetzt vielleicht hingehen und gute Wört(el)chen geben sollen? Nein – das hat sie nicht nötig gehabt. Sie liest also auch ihre Zeitung und weil sich der Papa nicht gerührt und nicht geregt hat, macht sie um zehn die Lampe aus und geht in das Schlafzimmer. Vorher hat sie noch eine Serviette auf den Tisch ausgebreitet, das schönste von den gebratenen Täubchen in die Mitte gestellt, und ein Glas eingemachte Essig-Zwetschgen und ein Fläschchen Wein nebendran, aber beileibe kein Besteck und kein Teller dazu – das musst du dir selbst holen, Alterle – hat sie gedacht.

 

Es dauert gar nicht lange, da geht der Papa am Tisch vorbei, auch hinein in das Schlafzimmer, räuspert sich ein paar Mal, und weil die Mama weiter keine Notiz von ihm genommen hat, legt er sich ruhig hin. An Schlaf war nicht zu denken, denn sein Magen hat erbärmlich geknurrt – ein gesunder Hunger hat ihn geplagt – das gebratene Täubchen hat ihm vorgegaukelt; schließlich macht er Licht an, guckt und schielt so ein bisschen scheu und vorsichtig hinüber zur Mama, schlüpft in seinen Schlafrock und in seine Filzpantoffeln und schleicht sich, leise wie ein Dieb, hinaus in das Wohnzimmer.

 

Mit heller Pläsier hat die Mama von ihrem Bett aus zugeguckt, wie er sich im Buffet Messer und Gabel geholt hat, und wie das gebratene Täubchen mitsamt den Zwetschgen und dem Wein so nach und nach verschwunden ist. Und wie dann der Papa alles abgeräumt, seine Serviette zusammen gefaltet, und gar das Geschirr noch in die Küche getragen hat, da hat sie fest an sich halten müssen, sonst wäre sie hinausgeplatzt vor Lachen.

 

Jede andere Frau, ich wette hundert gegen eins, hätte sich es nicht versagen können, ihren Held von Mann so ein bisschen zu necken, zu uzen, oder womöglich zu ducken, und mit spitzen Redensarten „klein zu machen“.

 

Anders die Mama; die hat getan, als ob sie von nichts etwas wüsste. Nur wie der Papa am nächsten Morgen adieu gesagt hat, für in das Büro zu gehen, da hat sie ihn in das Ohrläppchen gepetzt und mit dem Finger gedroht. Weil das aber so ihre beliebte Mode war, hat sich der Papa noch lange nicht getroffen zu fühlen brauchen.

 

Zufrieden mit sich selbst, mit Gott und der Welt und stolz wie noch einmal ein Spanier hat er sich auf den Weg gemacht, und wie ihm dann die Mama am Abend die gewärmte Grieß-Wassersuppe vom Tag vorher ausgeschöpft hat, hat er sie mit großer Bravour, und ohne sich zu mucksen, hinunter gelöffelt.

 

Ja – der Papa.

 

Lina Sommer