Der Kavalier

aus: Dess un Sell (1925)

(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)

 

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

 

Zwei nette, kleine lustige, durchtriebene Nähmamsellchen in so einem kleinen Badeort haben sich an einem schönen Sonntag extra fein herausgeputzt, und sind miteinander auf den Kurgarten losgesteuert, um das Konzert zu hören, – zu gucken und sich begucken zu lassen.

 

Wie sie an die Kasse kommen, da merken sie zu ihrem Schreck, dass es heute ein extra hohes Eintrittsgeld kostet, und die Eine, die Fräulein Rosa, wäre am liebsten wieder umgekehrt. „Aber“, sagt die Fräulein Laura, „jetzt sind wir einmal da, jetzt nichts wie hinein, wir müssen halt sehen, dass wir uns irgendwie schadlose halten, lass mich nur machen.“

 

Arm in Arm sind sie in den weißen Kleidchen mit den Plissee und den blauen Schleifchen hingeschlenkert zum Musikpavillon – an der Restauration im Freien, wo es so gut gerochen hat – vorbei. Dann sind sie den gleichen Weg zurück und die Fräulein Rosa hat geseufzt: „O hätten wir doch das viele Eintrittsgeld nicht bezahlen müssen, was könnten wir uns Gutes antun mit Torte und Kuchen.“

 

„Verlasse dich auf mich, wir kommen auch so dazu! Schlau muss man es anpacken! Siehst du dort drüben den jungen Mann mit dem Milchgesicht an selbigem kleinen Tischlein? Da sind wahrhaftig noch zwei Stühle frei! Tummele dich, dass wir hinkommen – der wartet uns gewiss etwas auf“ hat die Laura gesagt.

 

Auch sie hat große Possen im Kopf – aber nur kleines Geld im Täschlein gehabt. Sie haben sich also durchgeschlängelt bis zu selbigem Tischlein, und haben den jungen Mann mit den unschuldigsten Augen von der Welt gefragt, ob die zwei Stühle noch frei wären.

 

Wie elektrisiert ist er aufgesprungen, hat mit einer tiefen Verbeugung die zwei Stühle vorgezogen, hat sich als: Schmitt, Referendar aus Hamburg vorgestellt, und gar nicht genug versichern können, wie glücklich er wäre, dass er so eine angenehme Gesellschaft gefunden hätte – und halt allerhand so Schmeicheleien.

 

Die jungen Dämchen haben sich auch vorgestellt, als Kurgäste zu Besuch bei ihrer Tante, und es hat nicht lange gedauert, da waren sie im richtigen Fahrwasser der Beredsamkeit.

 

„Du, Rösel, was bestellen wir uns“ fragt die Fräulein Rosa, wie sie den Kellner auftauchen sieht.

 

„Ist doch natürlich meine Sache, hätte längst daran denken sollen, – bitte nicht abschlagen – ist mir eine große Ehre, – Papa sehr splendid, – einziger Sohn“, – hat der Herr Referendar aus Hamburg gesagt und dann hat er bestellt, was gut und teuer ist. Sogar Schlagsahne mit Erdbeeren hat nicht gefehlt. Jerem, jerem, haben die drei junge Leutchen da gegessen, und gezuckelt – und gelacht, – ein sorgloses, glückliches Jugendlachen, – und wie hat es ihnen geschmeckt.

 

Und wie jetzt das Tischlein abgedeckt war, da hat der Herr Referendar so allerhand Pläne geschmiedet, und Vorschläge gemacht, dass er auf den nächsten Abend Theaterbillets besorgen wollte, und so weiter. Auf einmal steht er auf, nimmt seinen Hut und sagt entschuldigend: „Damen sind ja ohne Blumen, – rasch mal Rosen kaufen, – Sie wissen: die Rosen den Rosen – Augenblickchen wieder da.“

 

Die zwei Fräuleinchen bringen ihre Mäulchen nicht mehr zu vor lauter Lobpreisungen über den lieben, netten, galanten jungen Mann. „Der reinste Kavalier“ jubiliert die Rösel.“ „Mache mir ihn nur nicht abspenstig“, sagt die Laura, ich habe es eingefädelt, – nicht du, – verstanden?“

 

So sitzen sie und warten, – und warten, – eine Viertelstunde, – eine halbe Stunde, – das Konzert geht zu Ende – kein Referendar lässt sich blicken. Jetzt kommt auch noch der Kellner mit der Rechnung angestiefelt – und die zwei arme Nähmamsellchen haben alles – auch ihren letzten Pfennig zusammensuchen und zusammenkratzen müssen – nicht einmal für ein Trinkgeld hat es gelangt.

 

Wie die begossenen Pudelchen sind sie heim getrosst und die Rosa hat zur Laura gesagt: „Du, mit deinem Kavalier – ich glaube, wir haben doch Einen gefunden, der noch schlauer ist wie wir.“

 

Lina Sommer