Der Franz und die Fränzel

aus: Dess un Sell (1925)

(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)

 

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

 

Der Franz und die Fränzel waren Nachbarskinder – zwei Jahre auseinander – haben aus blauen und braunen Guckäugelchen fröhlich in das Leben gelacht, sind miteinander in die Schule gegangen und zusammen konfirmiert worden.

 

Später ist dann die Fränzel für ein Jahr in die Stadt gekommen, für Bildung zu lernen – der Franz ist auf das Rathaus gegangen als Schreiber, dann haben sie wieder miteinander Tanzstunde gehabt und alle Leute haben gedacht, das gäbe einmal ein liebes, nettes Pärchen – akkurat wie von unserem Herrgott für einander geschaffen.

 

Soweit war alles in Ordnung.

 

Das Tanzschulskränzlein ist gekommen und wie die Mutter-Fränzel oder Fränzel-Mutter in einem modernen schwarz-seidenen gestickten Kleid erscheint, das schießt die Mutter-Franz oder Franz-Mutter mit einem giftigen Blick und in ihrem alten Merino-Kleid auf sie los und sagt:

 

„Du hast dich einmal fein gemacht; ich finde, das geht über deine Verhältnisse! Und auch deine Tochter ist die Allernobelste! Gelt, ihr spekuliert schon auf die Hochzeit und auf die gute Partie!“

 

„Du, höre einmal,“ sagt die Fränzel-Mutter, „alles, was recht ist, aber das verbitte ich mir doch. Ihr Kleidchen und mein Kleidchen hat mein Töchterlein selbst genäht und gestickt, und übrigens geht dich das gar nichts an, merke dir es. Dein Bube soll überhaupt froh sein, wenn er so ein liebes, schönes, tüchtiges und gebildetes Mädchen zur Frau kriegt wie unser Fränzel!“

 

„So, so, da gucke einmal an, soll er sich womöglich auch noch bedanken und am Ende gar auf den Knien rutschen? Du weißt, scheint es, nicht oder du willst es nicht wissen, was mein Sohn einmal für ein Vermögen hat, wo er unser einziges Kind ist. Der könnte überall anklopfen, bei’s Doktors, bei’s Apothekers, bei’s Notars, dem stehen alle Türen offen.“

 

„Naja, da lasse ihn halt klopfen, mir kann es recht sein.“ „Und tue dich nur nicht so echauffieren, Liebe, – weißt du, es gibt Leute, die auch noch etwas auf Familie halten! Denke einmal ein bisschen zurück an deinen Vater, wie der mit Mühe und Not am Gefängnis vorbei gekommen ist.“

 

 

„Du willst etwas von Familie sagen, dass ich nicht lache: was war denn deine Mutter – eine Waschfrau war sie, jawohl, gelt, das willst du heute auch nicht mehr hören!“

 

„Ja, sie war eine Waschfrau, aber erstens ist sie nur zu besseren Herrschaften gegangen – und zweitens war sie eine rechtschaffene, brave Frau, verstanden? Bei uns gibst es nichts zu verstecken!“

 

„So, ist das vielleicht ein Anstand, dass deine Tochter so meinen Buben hofiert, sie läuft ihm ja auf Schritt und Tritt nach – schämen soll sie sich.“

 

„Was redest du da – umgekehrt ist auch gefahren! Der soll sich nur nicht unterstehen, noch einmal ins Haus zu kommen. Dem werde ich den Marsch blasen.“

 

„Der braucht sich von dir nicht den Marsch blasen zu lassen, aber ich werde es ihm ausrichten, verlasse dich darauf.“

 

Spinnefeind sind die Fränzel-Mutter und die Franz-Mutter auseinander gegangen und haben sich nicht mehr gekannt. Die Franz-Mutter hat es fertig gebracht, ihren Buben der Fränzel abspenstig zu machen (die Fränzel war zu stolz, ihm nachzulaufen) und ihn mit der ältlichen Notars-Tochter zu verheiraten.

 

Die Fränzel ist heute noch ledig, ist so ein liebes, stilles Alt-Jüngferchen, und wenn als dem Franz seine Kinder vorbeigehen und es sieht gerade niemand, dann drückt sie sie als an sich und gibt ihnen einen Kuss auf die frischen roten Backen.

 

Lina Sommer