Es rauschte mir der Wind ein Liedlein zu

aus: Im Vorübergehn

(hochdeutsch)

 

Es rauschte mir der Wind ein Liedlein zu,

ein Liedlein vom Scheiden und Meiden,

von der Liebe Glück und Seligkeit,

von ihren Schmerzen und Leiden.

 

Ein junger Förster ging durch den Wald,

ein franker, freier Geselle,

Grün-Hütlein stolz mit Federn geschmückt,

wie glänzten die Augen ihm helle.

 

Jung-Edelfräulein, im Wald verirrt,

kam ihm entgegen gegangen

und fragte ihn nach dem rechten Weg,

hell glühten die rosigen Wangen.

 

Sie gingen dahin, wohl Seite an Seite,

schlug jedes die Augen nieder,

rings Sonnenstrahlen und Blumenduft

und der Vöglein frohlockende Lieder.

 

Die Glockenblumen, sie läuteten,

Waldmeister grüßte gar fein,

Eichhörnchen lugte vom Baum herab,

Herr Specht stellte das Hämmern ein.

 

Stolz lag die Burg da im Abendschein,

Jung-Edelfräulein, das schlanke,

reicht still dem Gesellen die weiße Hand,

neigt schweigend das Köpfchen zum Danke.

 

Und als sie über die Brücke schritt,

war das Liedlein jäh verklungen,

ein weher Ton nur klang leise nach

als wäre eine Saite gesprungen.

 

Lina Sommer