Der Gast

aus: Gedichtchen für Kinder

(hochdeutsch)

 

Komm, Herr Jesus, sei unser Gast,

und segne, was du uns bescheret hast.

Das Mütterlein betet; nun setzen sich

die Kinder alle gar froh um den Tisch.

Es läutet; Klein-Lieschen öffnet die Tür,

oh, Mutter, ich glaub´, der Herr Jesus ist hier,

so ruft sie, und führet gar sorglich und leis

an der Hand einen armen, wegmüden Greis.

Gebleicht ist das Haar ihm, gefurchet die Wang´,

schneeweiß ist sein Bart und schleppend sein Gang.

 

Gott grüß euch, spricht er, bleibt stehn auf der Schwell´

Klein-Lieschen geleitet zur Mutter ihn schnell

und nimmt ihm den Stab ab und hält ihm den Hut,

wie tut das dem alten Mann doch so gut.

Rasch holt sie den Teller, den Löffel so blank,

versorgt ihren Gast wohl mit Speise und Trank.

Er legt ihr die Hand auf das lockige Haar,

schaut ihr in die Äuglein, so sonnig, so klar,

und eine Träne vom Auge ihm rinnt:

Gott segne dich vielmals, du liebliches Kind.

 

Noch nie hat Klein-Lieschen so gut es geschmeckt,

als da es Herrn Jesus den Tisch hat gedeckt.

 

Lina Sommer