Der Blinde
aus: Schtillvergniegt
(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)
Zu Mannheim auf der Rheinbrücke
stehen an einem schönen Tag
zwei ganz zerlumpte Bettler
vom echten, rechten Schlag;
der Eine, der spielt die Orgel,
guckt niemandem in das Gesicht,
am Hals hat er einen Zettel:
vergesst den Blinden nicht;
der Andere, der geht fechten,
hebt demutsvoll den Hut,
doch, das Kompanie-Geschäftchen
bezahlt sich gar nicht gut;
auf einmal kommt eine junge,
warmherzige Frau vorbei,
und weil der Blinde sie dauert,
gibt sie zwei Groschen gleich.
Die steckt der eine Bettler
ganz heimlich in seine Hose,
der Orgelmann hat es gesehen,
jetzt ist der Teufel los.
Warte, dich will ich versohlen,
du alter Schuwiak,
du hast das Geld gestohlen,
höre, weise deinen Hosensack.
Oh, Jesses, sagt der Andere,
kreische doch nicht wie ein Kind,
die Kundschaft geht verloren,
bedenke doch, du bist blind.
Lina Sommer