Bergmanns Mütterlein

aus: Für dich – Reim und Prosa

(hochdeutsch)

 

Jeden Tag schleppt sich die alte

müde Frau aus ihrer Stube,

schwer gestützt auf ihren Krückstock

nach der weit entlegenen Grube.

 

Mit den halb erloschenen Augen

sucht sie in den großen Scharen,

unter denen, jung und kräftig,

einst ihr Sohn ist eingefahren.

 

Weiß nicht mehr, wie sie ihn brachten

in der Blüte seiner Jahre,

an dem Unglückstag, dem bangen,

hingestreckt auf schmaler Bahre.

 

Jeden Abend zieht das Altchen

mühsam heim, wie es gekommen,

um den Mund ein stilles Lächeln,

morgen, morgen muss er kommen.

 

Lina Sommer